von Stefan Goes
Auch wenn in Personalerkreisen und in Selbstverbesserungsliteraturecken das Motto „Stärken stärken“ mittlerweile fast schon wieder abgenutzt ist, scheint der Grundgedanke dahinter noch bei Wenigen wirklich verinnerlicht zu sein. Ich spreche von der Förderung und Entwicklung von persönlichen Stärken statt dem Überwinden von Defiziten. So bin ich selbst lange mit mir umgegangen und habe dementsprechend – und weil es fast ausschließlich so verlangt wurde – auch so gearbeitet. Das Prinzip: Jemandem „fehlt“ etwas oder von etwas Ungutem ist zu viel da. Stimmte ja oft auch aber der Ansatz ist dennoch falsch.
Natürlich schadet es selten, sinnlose oder abträgliche Verhaltensmuster zu erkennen und durch etwas „Besseres“ zu ersetzen, genau so wenig, wie es selten schadet, sich ein Defizit anzusehen und zu überlegen, wie man es ausgleichen könnte. Doch das ist oft sehr mühsam und man schaut und fühlt die ganze Zeit auf das Ungewollte und das noch nicht erreichte Ersehnte. Viel einfacher und motivierender ist es, sich auf die eigenen persönlichen, methodischen und fachlichen Stärken zu konzentrieren. Was man schon besitzt und beherrscht, kann man oft mit Freude und schnellen Fortschritten erweitern und verfeinern.
Nach wie vor kommen Klienten häufiger zu mir, weil sie etwas loswerden, überwinden oder ausgleichen möchten, statt eine persönliche Eigenschaft oder Fertigkeit weiter entwickeln zu wollen. Diese Perspektive erlaube ich mir immer öfter nicht zu teilen. Vom Ziel zurück auf den Menschen schauend findet sich grundsätzlich ein Lernweg, der auf den vorhandenen Stärken aufbaut. Beispiele gefällig?
1) Introvertierter, strategischer Controller lernt, statt durchsetzungsstärker und redegewandter zu werden, gezielt zu schweigen und seine wenigen Sätze noch prägnanter zu formulieren.
2) Abenteuerlustiger und freiheitsliebender Inhaber-Unternehmer lernt, seine Neugier mit Hilfe systemischer Fragemethodik zur wertschätzenden Mitarbeiterführung einzusetzen.
3) Erfolgreiche Marketing-Fachfrau richtet ihren Anspruch an absolute Perfektion nicht mehr gegen sich, sondern setzt ihn lieber zur Vorbereitung von Kunden- und Partnergesprächen ein – mit dem Focus auf der Verantwortlichkeit für das Gelingen bei allen Beteiligten statt nur bei sich selbst.