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Linguasystemische Methode

Die lingua-systemische Methode von Stefan Goes vereint Wissen der Angewandten Linguistik mit Prinzipien der Systemischen Beratung. Anwendungsbereich ist die zwischenmenschliche Kommunikation mit den Zielrichtungen Verständnissicherung, Steuerung und Wirksamkeit. Hintergrund dieser Methode ist die Annahme, dass Menschen in sozialen Systemen handeln. Sie sind so immer Teil ihrer Umgebung, ihrer Geschichte, ihrer Ziele und ihrer Werte. Dabei benutzen sie die Sprache als Werkzeug zur Kommunikation. Menschen denken und handeln in Sprache.

Konzept
Linguistische Kenntnisse und Methoden werden in den systemischen Rahmen eingebettet. Aus der systemischen Praxis fließen im Wesentlichen diese Aspekte / Methoden ein:

  • Annahme des „Hyperrealismus“ (Humberto Maturana), d.h., niemand kann „Recht haben“, bzw. „alle haben Recht“, weil zeitgleich unendlich viele Wirklichkeiten existieren
  • Grundannahme des Handelns von Menschen in sozialen Systemen
  • Grundannahme des eigenverantwortlichen, sinnhaften Handelns
  • Ressourcenorientierung
  • Suche nach „Spielern zweiter Ordnung“, also Einflüssen durch nicht beteiligte natürliche Personen, Organisationen, unbelebte Gegenstände (wie „die Entfernung“ oder „das Medium“) und Metaspieler (wie „das Problem“, „der Prozess“, „das Produkt“)
  • Einsatz systemischer Methoden wie Systemlandkarte / Soziogramm, Aufstellung mit dem Familienbrett, Perspektivwechsel, konstruktive Fragen, Reflecting Team

Aus der Soziologie fließen grundsätzliche Hinweise zur Funktion von Gruppen von Menschen ein, aus der Psychologie wird Grundlagenwissen der Personal- und Motivationspsychologie zum Einsatz gebracht und aus der Hirnforschung vornehmlich die Forschungsergebnisse von Gerhard Roth.
Das führt dazu, dass das linguistische Wissen weniger aus der Perspektive der Regeln und Werkzeuge als vielmehr der schöpferischen Tätigkeit an sich verstanden wird.
Aus der Linguistik im weiteren Sinne fließen diese Elemente ein:

  • Kommunikationsmodelle
  • Syntax
  • Prosodie
  • Semantik, Schlüsselwörter, Stilregister
  • paraverbale Äußerungen
  • Sprechakte, Sprachhandlungen, Turn-Taking, Gesprächsschrittpaare
  • Dialogthematische Steuerung, Responsivität, Kohärenz
  • Selbst- und Fremdkorrekturen
  • Strategie und Taktik
  • Frage- und Argumentationstechniken

 

Quellenverzeichnis
Bauer, Joachim: Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Hoffmann und Campe: Hamburg 2007.
Bierhoff, Hans Werner / Frey, Dieter (Hrsg.): Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie. Hogrefe: Göttingen et al. 2006.

Brandstätter, Veronika / Otto, Jürgen H. (Hrsg.): Handbuch der Allgemeinen Psychologie – Motivation und Emotion. Hogrefe: Göttingen et al. 2009

Becker-Mrotzek, Michael / Brünner, Gisela: „Der Erwerb kommunikativer Fähigkeiten: Kategorien und systematischer Überblick“. In: Becker-Mrotzek, Michael / Brünner, Gisela (Hrsg.): Analyse und Vermittlung von Gesprächskompetenz. Peter Lang: Frankfurt a.M. et al. 2009, S. 29-42

Biere, Bernd Ulrich / Hoberg, Rudolf (Hrsg.): Bewertungskriterien in der Sprachberatung. Narr: Tübingen 1995.

Bühler, Karl: Sprachtheorie: Die Darstellungsfunktion der Sprache. G. Fischer: Stuttgart et al. 1999.

Albert Busch / Stefan Goes: Linguistische Unternehmensberatung in Kooperation von Universität und Beratungspraxis. In: Sigurd Wichter / Albert Busch (Hrsg.): Wissenstransfer – Erfolgskontrolle und Rückmeldungen aus der Praxis, S. 67-82. Frankfurt/M. 2006.

Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft. Alfred Kröner: Stuttgart 1990.
Deppermann, Arnulf / Hartung, Martin (Hrsg.): Argumentieren in Gesprächen. Gesprächsanalytische Studien. Stauffenburg: Tübingen 2006.

Deppermann, Arnulf / Spranz-Fogasy, Thomas (Hrsg.): be-deuten: Wie Bedeutung im Gespräch entsteht. Stauffenburg: Tübingen 2006.

Deppermann, Arnulf: „Verstehen im Gespräch“. In: Kämper, Heidrun / Eichinger, Ludwig (eds.): Sprache – Kognition – Kultur. Sprache zwischen mentaler Struktur und kultureller Prägung. de Gruyter: Berlin 2006, S.225-261.

Egbert, Maria: Der Reparatur-Mechanismus in deutschen und interkulturellen Gesprächen. Verlag für Gesprächsforschung: Mannheim 2009.

Fiehler, Reinhard/Schmitt, Reinhold: „Gesprächstraining“. In: Knapp, Karlfried et al. (Hrsg.): Angewandte Linguistik: ein Lehrbuch. Francke: Tübingen, Basel 2010, S. 341-361.

Foerster, Heinz von / Pörksen, Bernhard: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker. Carl-Auer: Bonn 2004.

Goes, Stefan: „Das ,nicht’ war zu leise!“ Untersuchungen zur kommunikativen Verarbeitung von Abweichungen in Gesprächen. Duehrkohp & Radicke: Göttingen 2001.

Goes, Stefan: Warum linguasystemische Gesprächssteuerung “Sprachmagie” heißen muss In: Dräger, Marcel / Kuhnhenn, Martha (Hrsg.): Linguistisches Wissen in Weiterbildungen zur Kommunikationskompetenz. Frankfurt/M 2016.

Goffman, Erving: The Presentation of self in everyday Life. Penguin Books: London et al. 1990.

Hausendorf, Heiko: „‚Was kommt als Nächstes?’ Fokussierungen revisited“. In: Hausendorf, Heiko (Hrsg.): Gespräch als Prozess. Linguistischen Aspekte der Zeitlichkeit verbaler Interaktion. Narr: Tübingen 2007, S. 221-247.

Hörmann, Hans: Psychologie der Sprache. Springer: Berlin 1970.

Laclau, Ernesto / Mouffe, Chantal: Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus. („Hegemony and socialist strategy“) Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Michael Hintz und Gerd Vorwallner. Passagen-Verlag: Wien 2012.

Levinson, Stephen C.: Pragmatics. Cambrigde University Press: Cambrigde 1983.

Ludewig, Kurt / Wilken, Ulrich (Hrsg.): Das Familienbrett – Ein Verfahren für die Forschung und Praxis mit Familien und anderen sozialen Systemen. Hogrefe: Göttingen et al. 2000.

Luhmann, Niklas: Einführung in die Systemtheorie. Carl Auer: Heidelberg 2004.

Luhmann, Niklas: Einführung in die Theorie der Gesellschaft. Carl-Auer: Heidelberg 2005.

Maturana, Humberto R. / Pörksen, Bernhard: Vom Sein zum Tun. Die Ursprünge der Biologie des Erkennens. Carl-Auer: Heidelberg 2002, 2008.

Mondada, Lorenza: „Turn taking in multimodalen und multiaktionalen Kontexten“. In: Hausendorf, Heiko (Hrsg.): Gespräch als Prozess. Linguistischen Aspekte der Zeitlichkeit verbaler Interaktion. Narr: Tübingen 2007, S. 247-277.

Morris, Charles W.: Grundlagen der Zeichentheorie. Ästhetik und Zeichentheorie. Hanser: München 1972.

Roth, Gerhard: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Klett-Cotta: Stuttgart 2007.

Roth, Gerhard / Strüber, Nicole: Wie das Gehirn die Seele macht. Klett-Cotta: Stuttgart 2014.

Schuler, Heinz (Hrsg.): Lehrbuch Organisationspsychologie. Hans Huber: Bern 2007.

Schuler, Heinz (Hrsg.): Lehrbuch der Personalpsychologie. Hogrefe: Göttingen et al. 2001.

Selting, Magret: „Beendigung(en) als interaktive Leistung“. In: Hausendorf, Heiko (Hrsg.): Gespräch als Prozess. Linguistischen Aspekte der Zeitlichkeit verbaler Interaktion. Narr: Tübingen 2007, S. 307-337.

Streeck, Jürgen: „Geste und verstreichende Zeit: Innehalten und Bedeutungswandel der „bietenden Hand““. In: Hausendorf, Heiko (Hrsg.): Gespräch als Prozess. Linguistischen Aspekte der Zeitlichkeit verbaler Interaktion. Narr: Tübingen 2007, S.157-181.

Taylor, Talbot J.: Mutual misunderstanding. Sceptism and the Theorizing of Language and Interpretation. Duke University Press: Durham, London 1992.

Tillmann, Klaus-Jürgen; Sozialisationstheorien. Eine Einführung in den Zusammenhang von Gesellschaft, Institution und Subjektwerdung. Rowohlt: Reinbek 2001.

Watzlawick, Paul et al.: Pragmatics of Human Communication. A Study of Interactional Patterns, Pathologies, and Paradoxes. W.W. Norton & Company: NewYork 1967.

Worte auf Herzen

von Stefan Goes

Meine Mutter schenkt mir hin und wieder kleine Zettel, auf die sie Aphorismen aus allen möglichen Kulturkreisen getippt hat. Neulich bekam ich diesen:

RabbiMendel

Dieser Satz ist bei 5.Mose 6:6 zu finden, wo Mose ihn zu den Israeliten sagt. In der Lutherbibel von 1912 findet er sich so übersetzt wieder: „Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du ‚zu‘ Herzen nehmen.“

Rabbi Mendel von Kotzk weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es „’auf‘ deinem Herzen“ heiße.
Grammatikalisch geht das, aber semantisch ist es ungewöhnlich. Wir sind eher an Wendungen mit „in deinem Herzen“ gewöhnt. Deshalb horchen wir auf. Diese Übersetzung gefällt mir nicht nur als Rhetoriker gut wegen des Überraschungseffektes, sondern vor allem als Mensch: Es ist doch ein wohltuender Gedanke, dass Worte bereit liegen könnten, um zu wirken, sobald man sie für sich annehmen kann. Wie eine metaphysische retard-Salbe, falls es so etwas gibt. Ich habe das oft schon selbst erfahren, dass ich einen bestimmten Satz oder Hinweis erst nach langer Zeit verstehen oder annehmen konnte.

Rabbi Menachem Mendel von Kotzk (* 1787 in Bilgoraj; † 1859 in Kotzk) war ein chassidischer Rabbiner. Von 1834 bis zu seinem Tode war Menachem Mendel Rabbiner in Kotzk (Kock) bei Lublin. Er forderte einen beständigen, angespannten Kampf gegen den Egozentrismus.
Sein Schwerpunkt lag auf Emet, der Wahrheit. Um das Ziel der Wahrheit zu erreichen, war er bereit, alles andere zu opfern. Es gebe nur eine Wahrheit, und alles außerhalb der Wahrheit sei falsch, am schlimmsten seien jedoch die Nachbildungen der Wahrheit, und zwar umso mehr, je näher sie der Wahrheit kommen. Diese Wahrheit könne nur durch absolute Freiheit erreicht werden, das bedeute, äußerem Druck nicht nachzugeben, Verzicht auf Selbstgefälligkeit und Gefälligkeiten für andere. Er predigte keine Askese oder Verneinung des Diesseits, sondern verkündete, dass der Mensch auf der Suche nach der Wahrheit oftmals gegen sich selbst und die Gesellschaft ankämpfen muss. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Menachem_Mendel_von_Kotzk)

Versprecher – Scrabble für Zuhörer

von Karin Saal

Ein Bekannter berichtete kürzlich im Rahmen von freudschen Versprechern über ein Telefongespräch mit seiner Vorgesetzten. Die Chefin begann mit dem Satz:

„Ich rufe dich betrü/ äh bezüglich der Vorstandsentscheidung an.“

Seine Frage: Was kann man aus diesem Versprecher alles heraushören?

Schritt 1: Zunächst einmal kann man sich fragen, welches Wort wohl ursprünglich im Kopf der Chefin herumschwirrte, d.h. wie ließe sich weiter scrabbeln? /betrü/ = Betrüblich? Betrügen?

Schritt 2: Kann es ein zufälliger, „einfacher“ Versprecher sein?
Eher unwahrscheinlich, dafür unterscheiden sich die Wortanfänge /betrü/ und /bezü/ zu sehr voneinander. Dies lässt sich insbesondere in der Entstehung ihrer Laute im Gaumenbereich feststellen.

Wir haben deshalb genauer nachgeschaut:
Bei dem Laut /tr/, wie im zunächst angefangenem Wort /betrü/, handelt es sich um eine Lautverbindung von Plosiv und Vibranten, die insgesamt eher im hinteren Gaumenbereich entsteht.
/tz/ wie im Wortanfang /bezü/ ist eine Lautverbindung von Plosiv und Frikativ und wird im vorderen Gaumenbereich gebildet.
Soviel zur Theorie.
In der Praxis ist es viel einfacher; probieren Sie es doch selbst einmal aus: Einfach die Wortanfänge /betrü/ und /bezü/ laut vor sich hin sagen und genau darauf achten, was im Mund geschieht.
/betrü/ lässt den Kehlkopf vibrieren und man spürt den Laut im hinteren Teil des Gaumens, die Zunge liegt ebenfalls im hinterem Gaumenbereich.
Bei /bezü/ hingegen liegt die Zunge vorne hinter den Zähnen, die Luft entweicht so durch eine Engstelle vor bzw. hinter den Zähnen, dabei entsteht ein so genannter Zischlaut.
Man sieht also: Die Laute entstehen in unterschiedlichen Bereichen des Mundes. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Versprecher wie im vorliegenden Fall rein zufällig einsteht, ist daher eher gering. Viel größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Sprecherin ursprünglich ein anderes Wort gedacht hat, welches ihr somit im wahrsten Sinne des Wortes schon auf der Zunge lag und zu ihrem Versprecher führte.

Auch der weitere Gesprächsverlauf ist interessant. Sagt die Chefin zunächst, alles sei gut, es wäre eine tolle Lösung gefunden worden und ähnliches, schließt sie dennoch mit dem in aufmunternden Ton gesprochenen Satz: „Das kriegen wir schon hin.“ Bleibt die Frage: Was muss denn „hingekriegt“ werden, wenn doch schon alles gut und eine optimale Lösung gefunden ist?

Sprachmagie – mit Sprache zaubern

von Stefan Goes

Stellen Sie sich vor, Sie könnten aus der Kommunikation Ihres Gegenübers Informationen ziehen, von denen diese nicht einmal weiß, dass sie sie liefert. Stellen Sie sich vor, Sie könnten so sprechen, dass Ihr Gegenüber fühlt, was Sie beabsichtigen, denkt, worauf Sie abzielen und vielleicht sogar so handelt, wie Sie wollen. Geht nicht – und wenn, ist es unethisch, manipulativ und garstig? Oder Gold wert?

Erst einmal zum Thema geht nicht: Natürlich geht das. Sie haben gerade etwas gefühlt. Nämlich Befremden, Verlockung oder – nichts. Befremden, wenn Sie hohe ethische Wertvorstellungen haben und vertreten; Verlockung, wenn Sie vielleicht zuerst an Ihren eigenen Vorteil gedacht haben. Und Sie haben nichts gefühlt, wenn Sie sehr rational veranlagt sind. Sie haben auf jeden Fall etwas gedacht: „Was ist das denn schon wieder für eine seltame Idee?“, „Alter Wein in neuen Schläuchen!“ oder eben auch „Will ich haben!“.

Stünde ich Ihnen gegenüber, könnte ich mit ziemlicher Sicherheit darauf schließen, in welche Richtung Sie gedacht und gefühlt haben, ohne dass Sie den Mund aufgemacht hätten. Nur Menschen, die es gewohnt sind, ihre Gefühle vollkommen zu verbergen, werden schwer zu lesen sein. Alle anderen geben deutliche Signale. Erving Goffman nannte das schon 1959 „Körperausdruck“, im Gegensatz zur willentlich übermittelten „Körpersprache“. Ein zeitgenössischer Meisterforscher in diesem Bereich ist Paul Ekman; im Wesentlichen auf seinen Erkenntnissen beruht die Krimiserie „Lie to me“, die Sie vielleicht im Fernsehen verfolgt haben.

Was Menschen fühlen und denken, lässt sich mit offenen Augen und konsequenter Übung einschätzen.

Was Menschen denken und fühlen, lässt sich natürlich noch leichter aus dem ermitteln, was sie sagen – oder nicht sagen. Das sogenannte „beredte Schweigen“ hat große Tradition in Asien und, wen sollte es wundern, in Norddeutschland. Es hat mit Zurückhaltung und Gelassenheit zu tun. Hier erfahren wir häufig viel mehr aus dem nicht Gesagten und aus der Stelle der Pausen im Gespräch, was die andere von uns denkt.

Wenn Menschen Worte benutzen (was ja meist der Fall ist), kommen diese aus „ihrer Welt“, also aus ihrer Wirklichkeit. Ein Aspekt hiervon sind die Schlüsselwörter (siehe „Sprachtipps“). Andere Aspekte sind etwa die sprachlichen Bilder oder Gefühls- und Denklandschaften, die andere mit ihren Sätzen vor Ihnen ausbreiten. Nehmen Sie zwei unterschiedliche „Geschichten“, die ein und denselben Sachverhalt beschreiben – ein Paar erklärt, wie es seinen Urlaub gerne verbringt:

A: „Also letztes Jahr, da waren wir ja auf der Aida, aber das war uns doch etwa zu rummelig. Diese Saison werden wir auf der Silver Cloud reisen. Da stimmt dann auch der Personalschlüssel.“

B: „Wir verbringen den Sommer gerne auf dem Meer.“

Sie sehen die Leute fast vor sich. Geltungsbedürfnis oder hanseatische Zurückhaltung. Sie haben die Wahl, mit wem Sie sich lieber unterhalten. Auf jeden Fall liefert Paar A mehr Anknüpfungspunkte.

Was Menschen fühlen, denken und wollen, lässt sich mit offenen Ohren und konsequenter Übung klar erkennen.

Die ersten Schritte auf dem Weg zur Sprachmagierin sind also das Beobachten und Zuhören. Am besten fangen Sie mit sich selbst an.

Kommen wir zum Sprechen. Es gibt drei Grundsätze, an die es sich zu halten gilt:

1. Sprache folgt klaren Regeln, die jedeR (un)bewusst kennt.

2. Menschen denken und entscheiden systemisch, d.h. in Abhängigkeit verschiedener, sogenannter Systeme wie etwa Familie, Werte, Freunde, Kollegen oder „Umstände“.

3. Die meisten Menschen entscheiden impulsiv emotional und überprüfen die Entscheidung anhand rationaler Argumentation.

Aus diesen drei Grundsätzen ergeben sich die Aufgaben für den Sprachmagier:

Lernen Sie Ihre Sprache neu! Finden Sie heraus, welche Wörter, Sätze und Fragen in welcher Situation besonders wirksam sind. Sie selbst etwa scheitern ja bestimmt regelmäßig mit bestimmten kommunikativen Versuchen? Es könnte sich lohnen zu überlegen, was da bei der anderen nicht gut ankam. Auf der anderen Seite sind Sie ja mindestens genauso oft auch erfolgreich. Finden Sie heraus, woran das liegt.

Ein Beispiel zum Thema „Regeln“: Sie haben sicher schon erlebt, dass Sie mit Argumenten überhäuft werden, sobald Sie bei einem Vorschlag nicht sofort begeistert „Ja!“ schreien? Vielleicht verlieren Sie den Überblick, fühlen sich „zugetextet“ oder werden sogar – einfach aus Prinzip – störrisch. Was doch meist besser auf Sie wirkt: Wenn man Sie einbezieht, nach Ihrer Meinung fragt, und Sie eventuell dadurch überzeugt, dass man Ihre eigenen Argumente klug hinterfragt. So können Sie dann selbst entscheiden, was Sie wollen.

Der Hintergrund zum Thema „systemische Sicht“: Kommunikation gelingt am ehesten, wenn Sie an die Lebenswirklichkeit Ihres Gesprächspartners anknüpfen. Beispiel: Erschöpfte Menschen, die seit Monaten im „roten Bereich“ arbeiten und sich nicht beschweren, motivieren Sie nicht mit Durchhalteparolen zum Weitermachen. Denen bieten Sie sinnvollerweise Entlastung an oder zumindest eine überzeugende Perspektive.

Und abschließend noch ein Hinweis zum Thema „Gefühle“: Sie sind dann besonders erfolgreich, wenn Sie in Bildern und Geschichten denken und sprechen, die die gewünschten Gefühle beim Gegenüber auslösen. Vergleichen Sie:

A: „Der Kühlschrank ist ja ganz leer! Wer hat das denn alles in sich reingeschlungen?! Frank, Karin: Los, anziehen, ihr müsst dann eben jetzt einkaufen, bevor die Läden schließen! Mann!“ Was wir sehen: Gierige Menschen, die heimlich den Inhalt des Kühlschranks in sich hinein stopfen, bis er gähnend leer ist. Und dann Frank und Karin, denen befohlen wird, sofort unter Zeitdruck einkaufen zu gehen. Vorwurf, Schuld, Zwang, Stress. Das macht keinen Spaß. Vielleicht lieber so:

B: „Alter Schwede, im Kühlschrank kriege ich ja ein Echo hin! Da hatte aber einer Appetit! Frank oder Karin, habt ihr eventuell Zeit, noch schnell zum Supermarkt zu flitzen? Dann hätten wir heute Abend was zu essen.“

Buchtipps:

Paul Ekman: Emotions Revealed (dt. Gefühle lesen)

Paul Ekman: Telling Lies (dt. Ich weiß, dass du lügst)

Heinz von Förster / Bernhard Pörksen: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners

Stefan Goes: „Das ‚nicht’ war zu leise!“

Erving Goffman: The Presentation of Self in Everyday Life (dt. Wir alle spielen Theater)

Stephen C. Levinson: Pragmatics (dt. Pragmatik)

Frank Luntz: Words that Work

Klaus Mackowiak: Grammatik ohne Grauen

Umberto Maturana / Bernhard Pörksen: Vom Sein zum Tun

Steven Pinker: Words and Rules (dt: Wörter und Regeln)

Dieter E. Zimmer: So kommt der Mensch zur Sprache

Schlüsselwörter und Interjektionen – Gespräche steuern mit Minimalaufwand

von Stefan Goes

Aus der Werkzeugkiste der Sprachmagie habe ich Ihnen für diesen Beitrag zwei kleine aber hochwirksame Zaubermittel heraus gesucht: die Schlüsselwörter und die Interjektionen.

Schlüsselwörter

Was tun Schlüssel? Sie öffnen Verschlossenes und geben Zugang zu Neuem. Genau dies tun Schlüsselwörter auch. Ihr Schlüsselbart besteht aus mindestens einer gedanklichen Verbindung (Assoziation) und mindestens einem Gefühl. Zum Beispiel:

Verbindungen Gefühle
„Budget“ Geld, Mittel, Vorgabe, … Sicherheit, Enge, Freiheit, Ohnmacht, Aggression …

Was würde sich ändern, wenn Sie oder Ihre Gesprächspartnerin statt „Budget“ eines dieser Synonyme (Wörter mit gleicher Bedeutung) verwenden würden: „Rahmen“, „Möglichkeiten“, „Mittel“, „Grenzen“

Probieren Sie es gleich einmal aus:

Verbindungen Gefühle
Konzept

oder

Verbindungen Gefühle
Kontrolle

Zwei Ergebnisse sind sehr wahrscheinlich: Sie werden erstens eine ganze Menge gedanklicher Verbindungen gefunden haben, die zweitens ganz unterschiedliche Gefühle auslösen können. Und genau das ist der Punkt:

Was ein Mensch assoziiert, hängt von vielen Faktoren ab, wie etwa Persönlichkeit, Werte, Ausbildung, Erfahrung, Rolle oder Macht. Was ein Mensch fühlt, hängt ebenfalls von Faktoren wie den eben genannten ab und zusätzlich sehr stark von der aktuellen Situation, den Zielen und Vorannahmen / Erwartungen.

Je besser Sie also Ihren Gesprächspartner kennen oder sich in sie hinein versetzen, desto eher wählen Sie das Schlüsselwort, welches die Tür zum richtigen Raum öffnet: Verlangen, Schmerz, Sorge, Angst, Gier, Sicherheit, Freude, Abenteuer.

Achten Sie doch die nächsten zwei Wochen einmal darauf, wie Sie und Ihre Gesprächspartner auf unterschiedliche Wörter reagieren und probieren Sie etwas Neues aus.

Interjektionen oder auch „Dazwischenwürfe“

Wie bringen Sie eine Partie Golf oder ein Handballspiel durcheinander? Wie bringt man jemanden am besten aus dem Konzept oder dringt in ihren Monolog ein? Richtig: Indem man etwas ins Spiel wirft. Einen Ball oder ein einziges Wort. Nichts anderes sind die sogenannten Interjektionen (lat. „Einwürfe“ oder „Dazwischenwürfe“). Immer geht:

M-m. Ääh. Ja. Ach. OK. So.

Und zwar mit steigender, schwebender oder sinkender Stimmmelodie. Testen Sie es selbst, zwischen diesen drei Betonungen liegen Welten.

Kontextabhängig werden Sie auch schon einmal spezifischere Wörter verwendet haben, so wie etwa tatsächlich, nein, oha, unglaublich.

Diese Interjektionen dienen nicht nur der Verwirrung, sondern können auch sehr gut benutzt werden, um das Rederecht zu übernehmen. Das geht ganz einfach, indem Sie von der Intonation höflicher, interessierter Rückmeldesignale wie „mhm“ oder „jaha“ übergehen zu der Intonation für Rederechtbeanspruchung wie „m“, oder einem sehr kurzen „ja“. Binnen kurzer Zeit werden Sie die Gelegenheit erhalten, einen eigenen Gesprächsbeitrag zu lancieren.

Hören Sie in den nächsten zwei Wochen ganz genau hin; Sie werden merken, wie jedes Gespräch durch diese kleinen Wörter gesteuert wird. Und probieren Sie es einmal aus, es macht Spaß!

Gute Gründe nichts zu sagen

von Stefan Goes

Menschen haben gute Gründe, sich nicht an einem Gespräch zu beteiligen. Die einfachste
Erklärung:

  • kein Interesse

Oft ist auch Vorsicht die Ursache:

  • Unsicherheit
  • Angst vor Schaden
    • für einen selbst
    • für andere
    • für den Gesprächsverlauf

Leicht falsch zu interpretieren sind diese Gründe, die mit Handlungspräferenzen und
Einschätzung zu tun haben:

  • Introversion
    • „Das mache ich lieber mit mir selbst aus“
    • „Ich will nicht im Mittelpunkt stehen.“
  • Gedanke, nichts Sinnvolles, Wertvolles oder Angemessenes beitragen zu können
  • Überzeugung / Einschätzung
    • „Was kann ich schon dazu beitragen?!“
    • „Die Anderen wissen es besser.“
    • „Ich kann Andere nicht überzeugen.“
    • Resignation („es nützt ja doch nichts“)
    • keine Ideen
    • zu wenig Vorwissen
  • Erst einmal verstehen und alle Blickwinkel kennen lernen wollen
  • Taktik

Gerade die letzten beiden Motive wären doch auch mal attraktiv für Vielredner?

„Unterbrechen“ und „ins Wort fallen“: Fluch und Segen dieser Gesprächs-Methode

von Stefan Goes

Wer kennt sie nicht, diese Menschen, die andere – oft nicht einmal sich selbst – selten in Ruhe ausreden lassen. Und wer kennt sie nicht, diese Menschen, die eher dazu neigen, sogar noch einen (langen) Augenblick zu warten, bis sie auf einen Gesprächsbeitrag reagieren. Diese extreme der Organisation des Sprechwechsels empfinden wir in bestimmten Situationen als anstrengend oder sogar unpassend, in anderen Situationen hingegen als sinnvoll oder angenehm. Wie kommt das?
Werfen wir einen Blick auf häufige Motive, überhaupt das Wort ergreifen zu wollen:

  • Verstand: einen konstruktiven Beitrag leisten zu wollen
  • Gefühl: Aufmerksamkeit erhalten, dazu gehören, Anerkennung oder Liebe bekommen
  • Selbstwertgefühl: „Der Beitrag ist wertvoll, weil ich wertvoll bin.“
  • Beziehungsgestaltung: den Status in der Gruppe erhöhen
  • Spaß: „Mitspielen“ wollen, z.B. in kreativen Prozessen oder in scherzhaften Situationen

Für den einvernehmlichen Sprechwechsel gibt es verschiedene Regeln, die jedeR unbewusst oder bewusst kennt und anwendet. Der nicht einvernehmliche Sprechwechsel findet quasi gegen den Willen des oder der Sprechenden statt, in dem man diese unterbricht. Häufige Motive hierfür sind:

  • Ungeduld / Eifrigkeit: der einvernehmliche Sprechwechsel kommt etwas zu früh (-;
  • Vorwissen: Was meinE PartnerIn gerade berichten möchte, weiß ich schon.
  • Besserwissen: MeinE PartnerIn „erzählt Unsinn“; ich weiß es besser.
  • Machtanspruch: Wer das Rederecht verteilt, ist der oder die Mächtigste in der Gruppe. Wer ungestraft unterbrechen darf, hat Hochstatus.
  • Gefahr abwenden: MeinE PartnerIn ist im Begriff, sich selbst anderen oder mir durch IhreN Beitrag Schaden zuzufügen
  • Nähe: eng verwandt mit Vorwissen. Es gibt Situationen, in denen sich alle freudig gegenseitig ins Wort fallen und die Sätze der anderen beenden, weil sie einander so vertraut sind.

Leicht zu erkennen: In der Minderzahl sind partnerschaftliche Motive. Egozentrik überwiegt. Also: Lassen Sie sich selbst und andere öfter mal ausreden!

Karl Bühlers „speech appeal“

von Stefan Goes

Der deutsche Sprachpsychologe Karl Bühler schrieb 1934 den schönen Satz: „Es gibt, wie heute jeder weiß, einen sex appeal, neben welchem der speech appeal mir als ebenso greifbare Tatsache erscheint.“ Obwohl diese fast banale Feststellung sich so leicht nachvollziehen lässt, hat sich der Begriff leider nicht durchgesetzt. Doch das ist eigentlich auch egal – Hauptsache, der speech appeal wirkt. Menschen zum Lachen zu bringen, war schon immer ein guter Weg zu ihrem Herzen. Und kluge, präzise Gesprächsführung beeindruckt oft. Achten Sie doch einmal darauf, wen in Ihrer Umgebung Sie wegen ihrer oder seiner geschickten Verwendung der Sprache attraktiv finden!