Archiv des Monats “Mai 2015

Spontan-Logik vs. Denken

von Stefan Goes

Auf dem Fußweg vor meinem Büro kam mir gerade ein nicht mehr ganz junger junger Mann auf seiner smaragdmetallicgrünen Vespa mit laufendem Motor entgegen. Er blickte mir fest in die Augen und fuhr an mir vorbei. Das war eng. Warum er das wohl tat? Nahe liegende Erklärung: Er hätte sonst auf der Straße entgegen der Fahrtrichtung fahren müssen. Das hätte ihn im Zweifelsfall €25 gekostet. Auf dem Fußgängerweg aber nur €15. Eine logische Entscheidung also, wenn man den Bußgeldkatalog im Kopf hat. Dies dürfte hier nicht der Fall gewesen sein, obwohl er ziemlich unrasiert war. Den Führer des Kraftrades leitete wohl eher eine spontan-logische Entscheidung.
Spontan-Logik liegt vor, wenn ohne großes Denken aus der Situation heraus scheinbar logisch entschieden wird. Z.B. „Also auf dem Fußweg darf man ja in beide Richtungen und ich lass‘ ja auch nur rollen…“. Diese spontan-Logik führt oft in die seltsamsten oder unangenehmsten Situationen; Hollywood und Till Schweiger wissen darum. Der große Vorteil dennoch: Es wird entschieden. Und ein Bedürfnis nach schneller, befriedigender Lösung wird erfüllt.
Denken hingegen führt häufig zu einer wirklich sinnvollen Entscheidung (ja ich weiß, das muss man können und Information braucht man auch noch). Der Nachteil hier: Es dauert oft zu lange oder man kommt zu keiner Lösung. Und oft ist die sinnvolle Lösung nicht emotional sättigende.
Wenn ich also spontan entscheiden sollte, würde ich logischerweise Spontan-Logik wählen.

wildes Plakatieren

von Karin Saal

Entdeckt:

Unknown

Ganz klar Rebellion, würden einige sagen. Schließlich werde doch hier genau das getan, was durch das Schild verboten werde. Es gebe genug andere Stellen, an denen plakatiert werden dürfe. Doch gerade das Verbot reize die Rebellen. Ohne dieses würde hier mit Sicherheit nicht plakatiert werden, denn was erlaubt wäre, fänden Rebellen uninteressant.

Ziviler Ungehorsam, sagen vielleicht andere. Denn durch das offensichtliche Verstoßen gegen das Verbot auf dem Schild, forderten die Verursacher Teilhabe und Beteiligung am politischen Geschehen ein. Und gebe es nicht auch das Recht der Meinungsfreiheit?

Wieder andere ordnen das Schild der Kategorie Humor zu. Es entlocke doch jedem, der vorbeiginge, ein kleines Schmunzeln und genau das solle es auch bewirken. Besonders die Aussage „wildplakatieren erwünscht“ sei doch Ironie in Reinform.

Sie sehen: Dieses eine Schild kann auf viele unterschiedliche Weisen interpretiert werden. Wer hat Recht? Keiner. Oder alle.

Jedoch ließe sich über eine eindeutige Zuordnung zu einer der Kategorien mit Sicherheit die ein oder andere interessante Diskussion führen.

Als Sprachwissenschaftler interessiert uns allerdings zusätzlich noch eine andere Seite. Besonders der Aufkleber „wildplakatieren erwünscht“ hat es uns angetan.

Schauen wir uns zunächst das erste Wort an: wildplakatieren. Zusammen und klein geschrieben. Ist das Absicht oder Zufall? Vorstellbar wäre ja auch Wildplakatieren. Der Unterschied besteht darin, dass wildplakatieren die Tätigkeit an sich in den Vordergrund stellt während das Wildplakatieren sich eher auf die Handlung und das Ergebnis bezieht. Wird mit diesem Aufkleber also die Tätigkeit des Plakatierens erwünscht oder ganz generell das Wildplakatieren?

Das bringt uns zum zweiten Wort: erwünscht. Was genau sagt uns dieses Wort? Im Alltag stoßen wir des Öfteren auf Aussagen wie „Bewerbungen per E-Mail sind erwünscht“ oder „Abendgarderobe erwünscht“. Ist es nun eine Aufforderung vorher Genanntes zu tun? Oder vielmehr eine Erlaubnis? Wäre es unhöflich, die Bewerbung altmodisch per Post zu schicken? Würde das gar die Bewerbungschancen verringern?

Fazit: Sprache und somit Linguistik „versteckt“ sich überall. Umso wichtiger, sich Gedanken über die eigenen Worte und Formulierungen zu machen. Und natürlich: darüber zu sprechen, auf der Metaebene. Woher soll ich denn sonst wissen, was bei meinem Gegenüber ankommt?!
Selbst dieses kleine Schild kann zu den verschiedensten Assoziationen und Diskussionen führen. Vielleicht einfach einmal mehr auf die Kleinigkeiten im Leben achten?

 

 

 

 

 

 

 

 

Präsentation 3.0 – Teil 2

von Stefan Goes

Als ich mich neulich wieder einmal auf einen Vortrag vor großem Publikum vorbereitete und mich fragte, wohin mit dem Stichwortzettel, hatte ich plötzlich ein Bild aus meiner anderen Bühnenvergangenheit vor Augen: Die mit Panzertape auf den Boden geklebte Liste der zu spielenden Stücke.
Statt Jazz-Standards habe ich mir dann einfach die Schlüsselwörter meines Vortrages aufgeschrieben und in die Mitte der Bühne geklebt. Hat prima funktioniert.

Präs3.0_2

Dilemma? Tetralemma!

von Stefan Goes

Albert Einstein wird gerne zitiert mit dem Aphorismus, dass Wahnsinn sei, fortwährend dasselbe zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten.

Kinder lernen schnell, dass das nicht geht, wenn sie das runde Hölzchen durchs dreieckige Loch stecken wollen. Sie reifen heran und die Aufgabenstellungen werden komplexer. Und irgendwann passiert es dann: Wir versuchen, was nicht passt, passend zu machen. Viele Handwerker sagen das gerne, männlich schmunzelbrummend. In Wirklichkeit sieht es hier aber auch nur so aus, als täten sie fortwährend dasselbe, bis das Ergebnis stimmt. Tatsächlich aber sind sie einfach beharrlich und verformen die Realität (i.e. das Werkstück durch Einsatz von mehr Energie) oder sie wechseln die Technik. So machen das wohl alle Pragmatiker. Und irgendwie klappt es dann auch meist. Die wirklich harten Fälle sind m.E. Akademiker und überforderte Führungskräfte, am besten in Personalunion.

Die eigene Fach- und Problemlösungskompetenz wird überschätzt bzw. herbeigesummt und dann geht es oft nach diesen Mustern:

1. Ressourceneinsatz erhöhen: „Mehr Menschen, mehr Zeit, mehr Geld – das muss doch was bringen!“
2. Durchhalten: „Das wird schon, wenn wir uns nur genug anstrengen!“
3. Aussitzen: „Hinterhuber, kümmern Sie sich mal um die Angelegenheit!“

Häufig haben diese Muster ihre Ursache in der mangelnden Bereitschaft oder Fähigkeit, den eingeschlagenen Weg zu verlassen und etwas Neues zu wagen. Das liegt selten an der Führungskraft oder der Expertin allein, sondern meist auch am (Führungs)Umfeld. Dieser Lösungsstau führt dann häufig zu einer Art Tunnelblick, aus dem Polylemma zum Trilemma und schließlich zum Entweder-Oder-Dilemma. Der Karren steckt fest. Was tun?

Ein Weg kann sein, die indische logische Figur des Tetralemmas auf Entscheidungsprozesse anzuwenden, wie es zuerst Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer taten. Der Weg führt über fünf Positionen:

1. Das Eine
„Ja“ = Lösung gefunden (-:
„Nein“ = weiter zu:
2. Das Andere
„Ja“ = Lösung gefunden (-:
„Nein = weiter zu:
3. Beides (Kompromiss und 20 weitere  Subtypen)
„Ja“ = Lösung gefunden (-:
„Nein“ = weiter zu:
4. Keines von Beidem
Hier wird es spannend, denn nun bin ich zurück auf ‚Los!‘ oder muss meine Frage überdenken.
Und, wenn Sie wollen, gehen Sie noch einen Schritt weiter:
5. All dies nicht und selbst das nicht
Mit etwas Mut die totale Befreiung aus dem gesamten Dilemma. Der Weg führt dann gelegentlich nicht nur aus dem Problem hinaus, sondern auch aus dem sozialen System, sprich: Man verlässt die Organisationseinheit oder das Unternehmen. Meist jedoch führt diese Entscheidung zu einer neuen, wenn auch nicht konfliktarmen, Stufe der Kreativität.