Archiv des Monats “Juli 2015

Worte auf Herzen

von Stefan Goes

Meine Mutter schenkt mir hin und wieder kleine Zettel, auf die sie Aphorismen aus allen möglichen Kulturkreisen getippt hat. Neulich bekam ich diesen:

RabbiMendel

Dieser Satz ist bei 5.Mose 6:6 zu finden, wo Mose ihn zu den Israeliten sagt. In der Lutherbibel von 1912 findet er sich so übersetzt wieder: „Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du ‚zu‘ Herzen nehmen.“

Rabbi Mendel von Kotzk weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es „’auf‘ deinem Herzen“ heiße.
Grammatikalisch geht das, aber semantisch ist es ungewöhnlich. Wir sind eher an Wendungen mit „in deinem Herzen“ gewöhnt. Deshalb horchen wir auf. Diese Übersetzung gefällt mir nicht nur als Rhetoriker gut wegen des Überraschungseffektes, sondern vor allem als Mensch: Es ist doch ein wohltuender Gedanke, dass Worte bereit liegen könnten, um zu wirken, sobald man sie für sich annehmen kann. Wie eine metaphysische retard-Salbe, falls es so etwas gibt. Ich habe das oft schon selbst erfahren, dass ich einen bestimmten Satz oder Hinweis erst nach langer Zeit verstehen oder annehmen konnte.

Rabbi Menachem Mendel von Kotzk (* 1787 in Bilgoraj; † 1859 in Kotzk) war ein chassidischer Rabbiner. Von 1834 bis zu seinem Tode war Menachem Mendel Rabbiner in Kotzk (Kock) bei Lublin. Er forderte einen beständigen, angespannten Kampf gegen den Egozentrismus.
Sein Schwerpunkt lag auf Emet, der Wahrheit. Um das Ziel der Wahrheit zu erreichen, war er bereit, alles andere zu opfern. Es gebe nur eine Wahrheit, und alles außerhalb der Wahrheit sei falsch, am schlimmsten seien jedoch die Nachbildungen der Wahrheit, und zwar umso mehr, je näher sie der Wahrheit kommen. Diese Wahrheit könne nur durch absolute Freiheit erreicht werden, das bedeute, äußerem Druck nicht nachzugeben, Verzicht auf Selbstgefälligkeit und Gefälligkeiten für andere. Er predigte keine Askese oder Verneinung des Diesseits, sondern verkündete, dass der Mensch auf der Suche nach der Wahrheit oftmals gegen sich selbst und die Gesellschaft ankämpfen muss. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Menachem_Mendel_von_Kotzk)

Krisen lösen

Vor kurzem entstand während der Arbeit mit eines unserer Kunden diese Grafik zum Thema Krisen lösen:

Krisen_lösen

Eine Krise entsteht meist dadurch, dass eine wie auch immer geartete Störung eintritt. Die Krise an sich kann viele unterscheidliche Aspekte aufweisen und sollte immer dahingehend untersucht werden, welcher Aspekt im Vordergrud steht. Wird keine Lösung gefunden, muss tiefer geforscht werden. Wird die gefundene Lösung nicht von allen Beteiligten akzeptiert ebenfalls.

Ein Projekt

von Stefan Goes

Neulich war ich mit Sönke Petersson von exeo tief im Wald mit dem Geländewagen unterwegs, um zu unserem gemeinsamen Führungscamp zu gelangen. Wir waren schon etwas spät dran, um beim Aufbau der Jurten mit zu helfen. Der Weg war vom Regen aufgeweicht. Kurz vor dem Ziel stießen wir auf den Transporter seiner Kollegen, die sich damit an einer Steigung bis zu den Achsen festgefahren hatten. Er bremste, hielt den Wagen an und lachte erfreut: „Ah! Ein Projekt!“.
Diese Reaktion fand ich sehr erfrischend, zumal sie von Herzen zu kommen schien. Natürlich war das auch für Sönke eine sehr unerfreuliche Unterbrechung aber seine Haltung hatte den entscheidenden Vorteil, statt zum Verdruss zur Abenteuerlust zu ermuntern. Die meisten Menschen, die ich kenne, würden mit mehr oder minder gesellschaftsfähigen Flüchen reagieren. Das Beste, was ich selbst wohl zustande brächte, wäre etwas wie „Ach wie spannend!“. Also die klassische Berater- und Coach-Distanz. Muss ich ja zugeben. Ein Erlebnis-Pädagoge und Outdoor-Trainer geht da natürlich ganz anders heran. Zupackend.
Nun würde man gerne denken, dass dann wohl auch Handwerker und andere Menschen mit vornehmlich handfesten Berufen so fühlen und denken würden. Aber weit gefehlt. Denn diese kleine Anekdote kann ich leider in vielen Beratungssituationen anwenden, wo genau diese Berufsgruppen vertreten sind. Wie kommt das wohl? Es hat wahrscheinlich mit dem Selbstbild zu tun. Wo auf der Progressionsleiter Selbstwertgefühl > Kontrollüberzeugung > Selbstwirksamkeitserwartung > Optimismus hakt es? Und natürlich spielen Erlebens- und Handlungsmuster eine wichtige Rolle. Wenn andere oder ich selbst mir zu häufig Hecken pflanze, die die Handlungsfreiheit einschränken, sehe ich eben irgendwann nur noch Probleme statt Lösungen.