von Stefan Goes
Wer kennt sie nicht, diese Menschen, die andere – oft nicht einmal sich selbst – selten in Ruhe ausreden lassen. Und wer kennt sie nicht, diese Menschen, die eher dazu neigen, sogar noch einen (langen) Augenblick zu warten, bis sie auf einen Gesprächsbeitrag reagieren. Diese extreme der Organisation des Sprechwechsels empfinden wir in bestimmten Situationen als anstrengend oder sogar unpassend, in anderen Situationen hingegen als sinnvoll oder angenehm. Wie kommt das?
Werfen wir einen Blick auf häufige Motive, überhaupt das Wort ergreifen zu wollen:
- Verstand: einen konstruktiven Beitrag leisten zu wollen
- Gefühl: Aufmerksamkeit erhalten, dazu gehören, Anerkennung oder Liebe bekommen
- Selbstwertgefühl: „Der Beitrag ist wertvoll, weil ich wertvoll bin.“
- Beziehungsgestaltung: den Status in der Gruppe erhöhen
- Spaß: „Mitspielen“ wollen, z.B. in kreativen Prozessen oder in scherzhaften Situationen
Für den einvernehmlichen Sprechwechsel gibt es verschiedene Regeln, die jedeR unbewusst oder bewusst kennt und anwendet. Der nicht einvernehmliche Sprechwechsel findet quasi gegen den Willen des oder der Sprechenden statt, in dem man diese unterbricht. Häufige Motive hierfür sind:
- Ungeduld / Eifrigkeit: der einvernehmliche Sprechwechsel kommt etwas zu früh (-;
- Vorwissen: Was meinE PartnerIn gerade berichten möchte, weiß ich schon.
- Besserwissen: MeinE PartnerIn „erzählt Unsinn“; ich weiß es besser.
- Machtanspruch: Wer das Rederecht verteilt, ist der oder die Mächtigste in der Gruppe. Wer ungestraft unterbrechen darf, hat Hochstatus.
- Gefahr abwenden: MeinE PartnerIn ist im Begriff, sich selbst anderen oder mir durch IhreN Beitrag Schaden zuzufügen
- Nähe: eng verwandt mit Vorwissen. Es gibt Situationen, in denen sich alle freudig gegenseitig ins Wort fallen und die Sätze der anderen beenden, weil sie einander so vertraut sind.
Leicht zu erkennen: In der Minderzahl sind partnerschaftliche Motive. Egozentrik überwiegt. Also: Lassen Sie sich selbst und andere öfter mal ausreden!