Versprecher – Scrabble für Zuhörer

von Karin Saal

Ein Bekannter berichtete kürzlich im Rahmen von freudschen Versprechern über ein Telefongespräch mit seiner Vorgesetzten. Die Chefin begann mit dem Satz:

„Ich rufe dich betrü/ äh bezüglich der Vorstandsentscheidung an.“

Seine Frage: Was kann man aus diesem Versprecher alles heraushören?

Schritt 1: Zunächst einmal kann man sich fragen, welches Wort wohl ursprünglich im Kopf der Chefin herumschwirrte, d.h. wie ließe sich weiter scrabbeln? /betrü/ = Betrüblich? Betrügen?

Schritt 2: Kann es ein zufälliger, „einfacher“ Versprecher sein?
Eher unwahrscheinlich, dafür unterscheiden sich die Wortanfänge /betrü/ und /bezü/ zu sehr voneinander. Dies lässt sich insbesondere in der Entstehung ihrer Laute im Gaumenbereich feststellen.

Wir haben deshalb genauer nachgeschaut:
Bei dem Laut /tr/, wie im zunächst angefangenem Wort /betrü/, handelt es sich um eine Lautverbindung von Plosiv und Vibranten, die insgesamt eher im hinteren Gaumenbereich entsteht.
/tz/ wie im Wortanfang /bezü/ ist eine Lautverbindung von Plosiv und Frikativ und wird im vorderen Gaumenbereich gebildet.
Soviel zur Theorie.
In der Praxis ist es viel einfacher; probieren Sie es doch selbst einmal aus: Einfach die Wortanfänge /betrü/ und /bezü/ laut vor sich hin sagen und genau darauf achten, was im Mund geschieht.
/betrü/ lässt den Kehlkopf vibrieren und man spürt den Laut im hinteren Teil des Gaumens, die Zunge liegt ebenfalls im hinterem Gaumenbereich.
Bei /bezü/ hingegen liegt die Zunge vorne hinter den Zähnen, die Luft entweicht so durch eine Engstelle vor bzw. hinter den Zähnen, dabei entsteht ein so genannter Zischlaut.
Man sieht also: Die Laute entstehen in unterschiedlichen Bereichen des Mundes. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Versprecher wie im vorliegenden Fall rein zufällig einsteht, ist daher eher gering. Viel größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Sprecherin ursprünglich ein anderes Wort gedacht hat, welches ihr somit im wahrsten Sinne des Wortes schon auf der Zunge lag und zu ihrem Versprecher führte.

Auch der weitere Gesprächsverlauf ist interessant. Sagt die Chefin zunächst, alles sei gut, es wäre eine tolle Lösung gefunden worden und ähnliches, schließt sie dennoch mit dem in aufmunternden Ton gesprochenen Satz: „Das kriegen wir schon hin.“ Bleibt die Frage: Was muss denn „hingekriegt“ werden, wenn doch schon alles gut und eine optimale Lösung gefunden ist?

Respekt

Eine grobe Vorstellung davon, was Respekt ist, wird wohl jeder von uns haben. Kennt man doch Aussagen wie „Hab doch mal ein bisschen Respekt!“ „Die Jugend sollte Respekt vor dem Alter haben“ oder ganz einfach „Respekt!“. Doch was genau führt zu Respekt, wie fühlt sich Respekt an und woran erkennt man eigentlich eine respektvolle Person?

Diesen Fragen gingen wir mit mehreren Führungskräfte-Runden nach und heraus kam dabei dieses:

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Nun sind Sie gefragt: Überlegen Sie doch auch einmal, wo für Sie persönlich Respektquellen liegen, was Respekt als Zustand bedeutet und woran man Respekt Ihrer Meinung nach erkennen kann.

 

Sprachmagie – mit Sprache zaubern

von Stefan Goes

Stellen Sie sich vor, Sie könnten aus der Kommunikation Ihres Gegenübers Informationen ziehen, von denen diese nicht einmal weiß, dass sie sie liefert. Stellen Sie sich vor, Sie könnten so sprechen, dass Ihr Gegenüber fühlt, was Sie beabsichtigen, denkt, worauf Sie abzielen und vielleicht sogar so handelt, wie Sie wollen. Geht nicht – und wenn, ist es unethisch, manipulativ und garstig? Oder Gold wert?

Erst einmal zum Thema geht nicht: Natürlich geht das. Sie haben gerade etwas gefühlt. Nämlich Befremden, Verlockung oder – nichts. Befremden, wenn Sie hohe ethische Wertvorstellungen haben und vertreten; Verlockung, wenn Sie vielleicht zuerst an Ihren eigenen Vorteil gedacht haben. Und Sie haben nichts gefühlt, wenn Sie sehr rational veranlagt sind. Sie haben auf jeden Fall etwas gedacht: „Was ist das denn schon wieder für eine seltame Idee?“, „Alter Wein in neuen Schläuchen!“ oder eben auch „Will ich haben!“.

Stünde ich Ihnen gegenüber, könnte ich mit ziemlicher Sicherheit darauf schließen, in welche Richtung Sie gedacht und gefühlt haben, ohne dass Sie den Mund aufgemacht hätten. Nur Menschen, die es gewohnt sind, ihre Gefühle vollkommen zu verbergen, werden schwer zu lesen sein. Alle anderen geben deutliche Signale. Erving Goffman nannte das schon 1959 „Körperausdruck“, im Gegensatz zur willentlich übermittelten „Körpersprache“. Ein zeitgenössischer Meisterforscher in diesem Bereich ist Paul Ekman; im Wesentlichen auf seinen Erkenntnissen beruht die Krimiserie „Lie to me“, die Sie vielleicht im Fernsehen verfolgt haben.

Was Menschen fühlen und denken, lässt sich mit offenen Augen und konsequenter Übung einschätzen.

Was Menschen denken und fühlen, lässt sich natürlich noch leichter aus dem ermitteln, was sie sagen – oder nicht sagen. Das sogenannte „beredte Schweigen“ hat große Tradition in Asien und, wen sollte es wundern, in Norddeutschland. Es hat mit Zurückhaltung und Gelassenheit zu tun. Hier erfahren wir häufig viel mehr aus dem nicht Gesagten und aus der Stelle der Pausen im Gespräch, was die andere von uns denkt.

Wenn Menschen Worte benutzen (was ja meist der Fall ist), kommen diese aus „ihrer Welt“, also aus ihrer Wirklichkeit. Ein Aspekt hiervon sind die Schlüsselwörter (siehe „Sprachtipps“). Andere Aspekte sind etwa die sprachlichen Bilder oder Gefühls- und Denklandschaften, die andere mit ihren Sätzen vor Ihnen ausbreiten. Nehmen Sie zwei unterschiedliche „Geschichten“, die ein und denselben Sachverhalt beschreiben – ein Paar erklärt, wie es seinen Urlaub gerne verbringt:

A: „Also letztes Jahr, da waren wir ja auf der Aida, aber das war uns doch etwa zu rummelig. Diese Saison werden wir auf der Silver Cloud reisen. Da stimmt dann auch der Personalschlüssel.“

B: „Wir verbringen den Sommer gerne auf dem Meer.“

Sie sehen die Leute fast vor sich. Geltungsbedürfnis oder hanseatische Zurückhaltung. Sie haben die Wahl, mit wem Sie sich lieber unterhalten. Auf jeden Fall liefert Paar A mehr Anknüpfungspunkte.

Was Menschen fühlen, denken und wollen, lässt sich mit offenen Ohren und konsequenter Übung klar erkennen.

Die ersten Schritte auf dem Weg zur Sprachmagierin sind also das Beobachten und Zuhören. Am besten fangen Sie mit sich selbst an.

Kommen wir zum Sprechen. Es gibt drei Grundsätze, an die es sich zu halten gilt:

1. Sprache folgt klaren Regeln, die jedeR (un)bewusst kennt.

2. Menschen denken und entscheiden systemisch, d.h. in Abhängigkeit verschiedener, sogenannter Systeme wie etwa Familie, Werte, Freunde, Kollegen oder „Umstände“.

3. Die meisten Menschen entscheiden impulsiv emotional und überprüfen die Entscheidung anhand rationaler Argumentation.

Aus diesen drei Grundsätzen ergeben sich die Aufgaben für den Sprachmagier:

Lernen Sie Ihre Sprache neu! Finden Sie heraus, welche Wörter, Sätze und Fragen in welcher Situation besonders wirksam sind. Sie selbst etwa scheitern ja bestimmt regelmäßig mit bestimmten kommunikativen Versuchen? Es könnte sich lohnen zu überlegen, was da bei der anderen nicht gut ankam. Auf der anderen Seite sind Sie ja mindestens genauso oft auch erfolgreich. Finden Sie heraus, woran das liegt.

Ein Beispiel zum Thema „Regeln“: Sie haben sicher schon erlebt, dass Sie mit Argumenten überhäuft werden, sobald Sie bei einem Vorschlag nicht sofort begeistert „Ja!“ schreien? Vielleicht verlieren Sie den Überblick, fühlen sich „zugetextet“ oder werden sogar – einfach aus Prinzip – störrisch. Was doch meist besser auf Sie wirkt: Wenn man Sie einbezieht, nach Ihrer Meinung fragt, und Sie eventuell dadurch überzeugt, dass man Ihre eigenen Argumente klug hinterfragt. So können Sie dann selbst entscheiden, was Sie wollen.

Der Hintergrund zum Thema „systemische Sicht“: Kommunikation gelingt am ehesten, wenn Sie an die Lebenswirklichkeit Ihres Gesprächspartners anknüpfen. Beispiel: Erschöpfte Menschen, die seit Monaten im „roten Bereich“ arbeiten und sich nicht beschweren, motivieren Sie nicht mit Durchhalteparolen zum Weitermachen. Denen bieten Sie sinnvollerweise Entlastung an oder zumindest eine überzeugende Perspektive.

Und abschließend noch ein Hinweis zum Thema „Gefühle“: Sie sind dann besonders erfolgreich, wenn Sie in Bildern und Geschichten denken und sprechen, die die gewünschten Gefühle beim Gegenüber auslösen. Vergleichen Sie:

A: „Der Kühlschrank ist ja ganz leer! Wer hat das denn alles in sich reingeschlungen?! Frank, Karin: Los, anziehen, ihr müsst dann eben jetzt einkaufen, bevor die Läden schließen! Mann!“ Was wir sehen: Gierige Menschen, die heimlich den Inhalt des Kühlschranks in sich hinein stopfen, bis er gähnend leer ist. Und dann Frank und Karin, denen befohlen wird, sofort unter Zeitdruck einkaufen zu gehen. Vorwurf, Schuld, Zwang, Stress. Das macht keinen Spaß. Vielleicht lieber so:

B: „Alter Schwede, im Kühlschrank kriege ich ja ein Echo hin! Da hatte aber einer Appetit! Frank oder Karin, habt ihr eventuell Zeit, noch schnell zum Supermarkt zu flitzen? Dann hätten wir heute Abend was zu essen.“

Buchtipps:

Paul Ekman: Emotions Revealed (dt. Gefühle lesen)

Paul Ekman: Telling Lies (dt. Ich weiß, dass du lügst)

Heinz von Förster / Bernhard Pörksen: Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners

Stefan Goes: „Das ‚nicht’ war zu leise!“

Erving Goffman: The Presentation of Self in Everyday Life (dt. Wir alle spielen Theater)

Stephen C. Levinson: Pragmatics (dt. Pragmatik)

Frank Luntz: Words that Work

Klaus Mackowiak: Grammatik ohne Grauen

Umberto Maturana / Bernhard Pörksen: Vom Sein zum Tun

Steven Pinker: Words and Rules (dt: Wörter und Regeln)

Dieter E. Zimmer: So kommt der Mensch zur Sprache

Schlüsselwörter und Interjektionen – Gespräche steuern mit Minimalaufwand

von Stefan Goes

Aus der Werkzeugkiste der Sprachmagie habe ich Ihnen für diesen Beitrag zwei kleine aber hochwirksame Zaubermittel heraus gesucht: die Schlüsselwörter und die Interjektionen.

Schlüsselwörter

Was tun Schlüssel? Sie öffnen Verschlossenes und geben Zugang zu Neuem. Genau dies tun Schlüsselwörter auch. Ihr Schlüsselbart besteht aus mindestens einer gedanklichen Verbindung (Assoziation) und mindestens einem Gefühl. Zum Beispiel:

Verbindungen Gefühle
„Budget“ Geld, Mittel, Vorgabe, … Sicherheit, Enge, Freiheit, Ohnmacht, Aggression …

Was würde sich ändern, wenn Sie oder Ihre Gesprächspartnerin statt „Budget“ eines dieser Synonyme (Wörter mit gleicher Bedeutung) verwenden würden: „Rahmen“, „Möglichkeiten“, „Mittel“, „Grenzen“

Probieren Sie es gleich einmal aus:

Verbindungen Gefühle
Konzept

oder

Verbindungen Gefühle
Kontrolle

Zwei Ergebnisse sind sehr wahrscheinlich: Sie werden erstens eine ganze Menge gedanklicher Verbindungen gefunden haben, die zweitens ganz unterschiedliche Gefühle auslösen können. Und genau das ist der Punkt:

Was ein Mensch assoziiert, hängt von vielen Faktoren ab, wie etwa Persönlichkeit, Werte, Ausbildung, Erfahrung, Rolle oder Macht. Was ein Mensch fühlt, hängt ebenfalls von Faktoren wie den eben genannten ab und zusätzlich sehr stark von der aktuellen Situation, den Zielen und Vorannahmen / Erwartungen.

Je besser Sie also Ihren Gesprächspartner kennen oder sich in sie hinein versetzen, desto eher wählen Sie das Schlüsselwort, welches die Tür zum richtigen Raum öffnet: Verlangen, Schmerz, Sorge, Angst, Gier, Sicherheit, Freude, Abenteuer.

Achten Sie doch die nächsten zwei Wochen einmal darauf, wie Sie und Ihre Gesprächspartner auf unterschiedliche Wörter reagieren und probieren Sie etwas Neues aus.

Interjektionen oder auch „Dazwischenwürfe“

Wie bringen Sie eine Partie Golf oder ein Handballspiel durcheinander? Wie bringt man jemanden am besten aus dem Konzept oder dringt in ihren Monolog ein? Richtig: Indem man etwas ins Spiel wirft. Einen Ball oder ein einziges Wort. Nichts anderes sind die sogenannten Interjektionen (lat. „Einwürfe“ oder „Dazwischenwürfe“). Immer geht:

M-m. Ääh. Ja. Ach. OK. So.

Und zwar mit steigender, schwebender oder sinkender Stimmmelodie. Testen Sie es selbst, zwischen diesen drei Betonungen liegen Welten.

Kontextabhängig werden Sie auch schon einmal spezifischere Wörter verwendet haben, so wie etwa tatsächlich, nein, oha, unglaublich.

Diese Interjektionen dienen nicht nur der Verwirrung, sondern können auch sehr gut benutzt werden, um das Rederecht zu übernehmen. Das geht ganz einfach, indem Sie von der Intonation höflicher, interessierter Rückmeldesignale wie „mhm“ oder „jaha“ übergehen zu der Intonation für Rederechtbeanspruchung wie „m“, oder einem sehr kurzen „ja“. Binnen kurzer Zeit werden Sie die Gelegenheit erhalten, einen eigenen Gesprächsbeitrag zu lancieren.

Hören Sie in den nächsten zwei Wochen ganz genau hin; Sie werden merken, wie jedes Gespräch durch diese kleinen Wörter gesteuert wird. Und probieren Sie es einmal aus, es macht Spaß!

Die Mindestlohnfalle

von Stefan Goes

Neulich saß ich abends im Restaurant eines guten Hotels mit gehobener Küche. Am Nebentisch unterhielt sich der Besitzer mit einem befreundeten Ehepaar über dies und das. Bald kamen sie auch auf den Mindestlohn und seine Auswirkungen auf das Gastgewerbe zu sprechen. Alle drei waren sich in ihrer Empörung über diese Zumutung einig. Der Gastronom führte aus, dass er als Konsequenz die von ihm freiwillig gegebene Pause von 25 Minuten gestrichen habe, denn die MitarbeiterInnen müssten auch ihren Beitrag leisten. Er wolle ja in der Lage sein, auch mal eine Cola oder ein Stück Kuchen gratis an sie abzugeben. Mein Appetit auf das gute Essen war danach stark eingeschränkt. Ich war erstaunt, dass er seinen sehr motivierten, perfekt ausgebildeten Servicekräften nicht schon  längst den Mindestlohn zahlte. Und das ungeschickte Vorgehen nach dem Prinzip „wenn ich leide, leidet ihr auch“ ließ mich ins Grübeln kommen. Gemeinsam getragenes Leid motiviert und vereint nur dann, wenn alle die Entscheidung zu diesem Weg gemeinsam getroffen und sich gemeinsam in das Leid begeben haben. Warum hatte er, wenn er schon meinte, an der Kostenschraube drehen zu müssen, nicht seine Leute um Ideen zur Kosteneinsparung gebeten? Vielleicht hätten sie sich sogar die Extra-Pause selbst verkürzt oder gestrichen?

Präsentieren 3.0: XXL-Merkkärtchen mit Show-Effekt

von Stefan Goes

Als ich mich neulich auf einen Vortrag über Sprachmagie vor 450 UnternehmerInnen vorbereitete, sah ich mich mit folgendem Dilemma konfrontiert:
Eine Präsentation per Beamer verbot sich aus zwei Gründen: Ich kann PPT nicht leiden und ich kann PPT nicht leiden.
Eine ganz freie Präsentation ohne Visualisierung verbot sich aus ebenfalls zwei Gründen: Die eine oder andere Grafik war erforderlich und ich neige zum Extemporieren und Hinfortmäandern.
Die Lösung fiel mir wenige Stunden vor dem Bühnenauftritt ein: Merkkärtchen XXL! Ich kaufte mir also flink 10 Foamboards im Format 70×100 und vier extrabreite edding-Marker in schwarz und rot/grün/blau. In 20 Minuten war meine Präsentation fertig: 11 Abbildungen der wesentlichen Inhalte meines Vortrages waren gezeichnet.
Mit denen lief ich also auf der Bühne umher und konnte sogar ins Publikum, um sie dem einen oder anderen Gast vor die Nase zu halten. Dies sorgte für viel Dynamik und Publikumsbeteiligung. War das Thema besprochen, warf ich den Karton hinter die Bühne und nahm den nächsten.
Der Erfolg war sehr gut. Die Gäste haben viel gelacht, sich das Wesentliche gemerkt und ich blieb in der Zeit und hatte eine Menge Spaß.
Der Einwand, Bühnenerfahrung, Extraversion und Mut zum Risiko seien nötig, ist zwar richtig, doch lässt sich die Methode auch von zurückhaltenden RednerInnen anwenden. Dynamik und Darstellungsweise einfach an die eigene Persönlichkeit anpassen! Probieren Sie es aus.

01_System_Mensch_Wein
Systemtheorie erklärt am Beispiel des Vortragsgastes

10_TRP_Bahnhof
Sprecherwechsel erklärt am Beispiel eines Bahnhofs

Prozess- vs. Ergebnisorientierung

von Stefan Goes

Neulich arbeitete ich mit einem Team, das sich sehr belastet fühlt dadurch, dass Kollegen aus anderen Bereichen sich nicht an die Regeln der Zusammenarbeit halten (Stichworte Zuständigkeiten / Abläufe). Von mir wollten die Mitarbeiterinnen wissen, wie sie die Kollegen zur Regeltreue bewegen könnten. Schon nach meinen ersten weisen Worten unterbrach mich der ebenfalls anwesende Teamleiter: „Das geht nicht ganz so leicht. Wir arbeiten hier nicht process driven, sondern results driven.“. Ein wichtiger Einwand, der die weitere Diskussion zu fokussieren half. Weder den Verlauf, noch das Ergebnis möchte ich hier nennen, sondern vielmehr ein paar Gedanken auf den vermeintlichen Gegensatz verwenden.

Die Vorteile von Prozessorientierung sind deutlich:

  • Ausgehend von der Annahme, dass die Prozessregeln von den Betroffenen als klar und sinnvoll (wenn auch gelegentlich lästig) verstanden werden, bieten sie Orientierung und dienen gegebenenfalls als „Schiedsrichter“
  • Prozessregeln haben den Vorteil, dass sich leicht erkennen lässt, was funktioniert und was nicht, was zueinander gehört und was getrennt sein darf oder soll
  • In Prozesse, sofern sie gut dokumentiert sind, lässt sich leicht eingreifen; Prozessfremde, wie neue Mitarbeiter oder Berater, können sich im Idealfall einen schnellen Überblick verschaffen und flink mit der Arbeit beginnen

Und natürlich hat auch die Ergebnisorientierung viel für sich:

  • Aufgaben können schnell und pragmatisch angefasst werden. Langes „Geschnacke“ kann entfallen
  • Die richtigen Menschen für die Aufgabe können ohne Hierarchiewirrwarr schnell eingesetzt werden
  • „Der Weg ist das Ziel“? Hier wohl eher umgekehrt. Der Weg wird zweitrangig, wenn nur das Ergebnis stimmt

Beim Lesen sind Ihnen sicher noch mehr Vorteile für die jeweilige Orientierung eingefallen. Und natürlich auch die Nachteile. Und natürlich auch die Lösung:

Prozesse funktionieren nur, wenn man auch mal gegen ihre Regeln verstößt. Und auch ergebnisorientiertes Handeln profitiert von dem Kennen und Befolgen von (ungeschriebenen) Regeln.

Wussten Sie auch schon. Genau. Zum Glück geht es in diesem Blog nicht um Theorie, sondern um Praxis. Hier zwei Beispiele zur eigenständigen Bemühung Ihrer Gehirnmasse:

  1. In einem regional tätigen, mittelständischen, inhabergeführten Unternehmen wurde viel Zeit auf das Entwerfen eines Geschäftsprozesses samt Prozesshandbuch verwendet. Dies schien nötig, weil die Mitarbeiterzahl sich in zehn Jahren um das Zehnfache erhöht hat. Der Überblick ging verloren, die erwartbaren Konflikte im Ablauf und zwischen Menschen traten ein. Die Prozessorientierung verhalf Führung, Management und Mitarbeitern zum Überblick. Mittlerweile zeigt sich, dass die Entscheidung richtig war, doch etwas überambitioniert umgesetzt wurde. Die Prozesslandkarte ist sehr komplex, das Management oft genervt. Und wenn was nicht klappt: Es war der Prozess! Was würden Sie tun, wenn Sie 10% mehr Ergebnisorientierung (bitte nicht verwechseln mit Zielorientierung!) ins System geben dürften?
  2. Ein weltweit agierendes, mittelständisches, inhabergeführtes Unternehmen mit Niederlassungen auf allen Kontinenten außer der Antarktis hat sich maximale Kundenorientierung auf die Fahne geschrieben. Abgeleitet daraus ist die Ergebnisorientierung. Das Unternehmen ist im Gegensatz zum Wettbewerb hoffnungslos erfolgreich. Der Ansatz stimmt also. Bloß viele Mitarbeiter sind sehr angestrengt und es gibt viele Konflikte, weil meist, wenn Mitarbeiter A Kollegin B wieder einmal auf den Fuß getreten ist und sie Regeltreue anmahnt, schallt ihr gern fröhlich entgegen: „Sorry, we need results!“ Was würden Sie tun, wenn Sie 10% mehr Prozessorientierung ins System geben dürften?

Viel Spaß beim Tüfteln!

Prontezza

von Stefan Goes

Viele Menschen wünschen sich „Schlagfertigkeit“. Typisch deutsch, dieses Wort, ziemlich grob. Und es stellt nicht dar, worum es geht. Als reaktionsschneller Mensch stehe ich ja nicht im Dialog herum, bereit, flink mit meiner Peitsche zuzuschlagen oder mit dem Florett zuzustechen. Wagen wir einen Blick über den Tellerrand:
Die Engländer nennen es „quick-wittedness“. Dieses Kompositum kommt der Sache schon näher: Ein wacher, schneller Geist wird benötigt. Sie verwenden auch „repartee“ (hierbei bitte Jack Sparrow vorstellen!) – ein Lehnwort aus dem Französischen. Hier ist es der „sens de la repartie“. Typisch französisch, möchte man sagen, denn ein Gespür wird verlangt und zwar für etwas recht Schräges: Die Umkehr vom Sich-Entfernen. Man kann es sich fast vorstellen: Man hat schon den Rücken gewandt und dreht sich noch einmal um für den treffenden Spruch. Im modernen Französisch steht das Wort auch im Kontext von „wieder aufbrechen“, „weiterfahren“, „wieder zurückkehren“, „wieder anfangen“. Sehr dynamisch. Das Hin und Her ist spürbar. Richtig angetan haben es mir aber die Italiener: Sie nennen es „prontezza (di parola)“. Da steckt das Schnelle drin. Übersetzungen sind bezeichnenderweise „Vorsicht“, „Beflissenheit“, „Bereitwilligkeit“, „Klugheit“, „Schlauheit“ oder „Wachsamkeit“.
So genau wollten Sie es wahrscheinlich gar nicht wissen. Deshalb hier ein paar Tipps für die Praxis:
Hürden sind: Überraschung, Empörung, Unterlegenheitsgefühl, Angst oder einfach Griesbrei zwischen den Ohren. Also alles, was Sie hemmt oder verlangsamt.
Sie brauchen: Humor, Sportsgeist, Spaß am Gerangel, Assoziationsvermögen, bildhaftes Denken, Mut, Witz, Frechheit. Ach so und Übung.
Üben können Sie Prontezza, indem Sie sich angewöhnen, mehr in Bildern oder Geschichten zu denken und zu sprechen. Sich darauf einzulassen, spontanen Assoziationen nachzugehen, auch wenn sie absurd wirken. Ferner hilft es, wenn Sie an Ihrem Selbstwertgefühl arbeiten, sollten Sie das als nötig empfinden. Prontezza geht nur leicht von der Zunge, wenn man sich ebenbürtig findet. Hilfreich hier finde ich, wenn man im Verhältnis mit der Gesprächspartnerin nach einer Gemeinsamkeit sucht, in der sie auf einer Ebene steht, und wenn es nur ist, dass Sie aus derselben Stadt stammen. Ganz wichtig ist der emotionale Abstand. Wenn Sie sich zu sehr angesprochen fühlen, wird Ihre Antwort plump oder bissig herauskommen – weil Sie sich ja eigentlich schlagen wollen.
Also, immer schön locker bleiben und mit offenen Augen durch die Welt laufen. Und mal ’ne dicke Lippe riskieren, wie der Berliner sagt.

Grube_DB_Schlagfertigkeit

Erkennt man Lügner an ihrer Sprache?

von Karin Saal

Dass es gerade im Bereich von Sicherheitskontrollen, z.B. an Flughäfen, von enormer Bedeutung ist, Lügen schnell zu enttarnen, daran besteht kein Zweifel. Aber wie genau entlarvt man jetzt einen Lügner?

Bislang setzte das Sicherheitspersonal in fast allen Bereichen auf die Suche nach sogenannten suspicious signs, auf verdächtige Anzeichen in der Mimik und Gestik oder nonverbale Ausrutscher, die auf eine gewisse Nervosität, Anspannung oder Aggressivität der Fremden hinweisen. Bei dieser Methode liegt die Trefferquote jedoch bei unter 5%, so das Ergebnis eines sechsmonatigen Doppelblindversuches zur Flughafensicherheit.

In dieser Studie testeten die britischen Forscher Thomas Ormerod (University of Sussex) und Coral Dando (University of Wolverhampton) ihre neu entwickelte Befragungstechnik Controlled Cognitive Engagement (CCE) an sieben internationalen Flughäfen (Heathrow, Gatwick, Manchester, Schiphol, Paris-Charles de Gaulle, Mailand und Frankfurt am Main). Für ihre Studie ließen sie insgesamt 204 falsche Passagiere mit Lügengeschichten im Routinebetrieb fliegen. 97 der Sicherheitsbeamten wurden je eine Woche theoretisch sowie praktisch in die neue Methode eingeführt. Die CCE-Methode greift die Idee auf, dass Lügen kognitive Schwerstarbeit ist, da Wahrheit und Lüge gleichzeitig im Gehirn abgefragt werden müssen. Die CCE-Methode wurde daher so konzipiert, dass sie nur die Lügner unter Druck setzt. Für diejenigen, die die Wahrheit sagen, wirkt das Interview wie ein gemütlicher Smalltalk.
Konkret könnte eine solche etwa 3-minütige Befragung so ablaufen:

Zunächst stellt der Sicherheitsbeamte viele Fragen zur Herkunft und Identität (etwa: „Woher kommen Sie?“, „Wo arbeiten Sie zurzeit?“). Anhand der Antworten erfolgt dann in einem nächsten Schritt die Befragung nach bestimmten, oft winzigen Details, die man wissen müsste, hätten die vorher gemachten Angaben gestimmt. So kann beispielsweise nach der Anzahl der U-Bahn-Stationen, die man auf dem Arbeitsweg zurücklegen muss, gefragt werden oder nach einer Baustelle, die derzeit den gesamten Verkehr lahmlegt. Wer vorher die Wahrheit gesagt hat, der gerät durch solche Fragen nicht unter Druck, ist eventuell etwas verwundert oder sogar belustigt.

Die Ergebnisse der Studie zeigen nicht nur die Überlegenheit der CCE-Methode gegenüber der geläufigen Suche nach den suspicious signs, sondern auch Auffälligkeiten im Verbalverhalten der Lügenden. Während ihre Ausführungen zu Beginn des Interviews noch detailreich und lang sind, nehmen sie im Verlauf und bei zunehmender Komplexität der Fragen immer mehr an Detailgrad und Länge ab. Zudem versuchten die Interviewten häufig, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken.

Für mich stellt sich die Frage, wie das Sicherheitspersonal denjenigen auf die Spur kommen soll, die nur in einem winzigen Detail lügen, z.B. über das Ziel und den Zweck ihrer Reise. Auf Fragen nach Herkunft und Identität könnten sie ja ebenfalls entspannt reagieren, da sie hier gar nicht lügen müssen. Wie wollen die Sicherheitsbeamten also erkennen, in welchem Detail der Befragte lügt, wenn nicht seine gesamte Identität gefälscht ist?

Außerdem frage ich mich, ob und wie eine einfache 2-wöchige Schulung des Sicherheitspersonals ausreichen kann, um solch komplexe psychologische Einschätzungen vornehmen zu können. Wären hier nicht ausgebildete Psychologen oder Linguisten die richtige Besetzung?

 

Quellen:

http://m.welt.de/gesundheit/psychologie/article135808269/Neue-Psycho-Methode-enttarnt-Luegner-schnell.html (12.01.2015)

http://www.spektrum.de/news/wie-man-betrueger-enttarnt/1317228 (12.01.2015)

Ormerod, T. C., & Dando, C. J. (2014, November 3). Finding a Needle in a Haystack: Toward a Psychologically Informed Method for Aviation Security Screening. Journal of Experimental Psychology: General. Advance online publication. http://dx.doi.org/10.1037/xge0000030

 

Gute Gründe nichts zu sagen

von Stefan Goes

Menschen haben gute Gründe, sich nicht an einem Gespräch zu beteiligen. Die einfachste
Erklärung:

  • kein Interesse

Oft ist auch Vorsicht die Ursache:

  • Unsicherheit
  • Angst vor Schaden
    • für einen selbst
    • für andere
    • für den Gesprächsverlauf

Leicht falsch zu interpretieren sind diese Gründe, die mit Handlungspräferenzen und
Einschätzung zu tun haben:

  • Introversion
    • „Das mache ich lieber mit mir selbst aus“
    • „Ich will nicht im Mittelpunkt stehen.“
  • Gedanke, nichts Sinnvolles, Wertvolles oder Angemessenes beitragen zu können
  • Überzeugung / Einschätzung
    • „Was kann ich schon dazu beitragen?!“
    • „Die Anderen wissen es besser.“
    • „Ich kann Andere nicht überzeugen.“
    • Resignation („es nützt ja doch nichts“)
    • keine Ideen
    • zu wenig Vorwissen
  • Erst einmal verstehen und alle Blickwinkel kennen lernen wollen
  • Taktik

Gerade die letzten beiden Motive wären doch auch mal attraktiv für Vielredner?